Weihnachtsgedichte


Weihnachtsabend

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war's, durch alle Gassen scholl
der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fort gespült,
drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
"Kauft, lieber Herr!" Ein magres Händchen hielt
feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein
sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
wes Alters und Geschlecht es mochte sein,
erkannt' ich im Vorübertreiben nicht.

Nur vor dem Treppenstein, darauf es saß,
noch immer hört' ich, mühsam, wie es schien:
"Kauft, lieber Herr!" den Ruf ohn' Unterlaß;
doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.

Und ich? War's Ungeschick, war es die Scham,
am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh' meine Hand zu meiner Börse kam,
verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

Doch als ich endlich war mit mir allein,
erfaßte mich die Angst im Herzen so,
als säß' mein eigen Kind auf jenem Stein
und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.

Theodor Storm


Weihnachten

Markt und Straße steh'n verlassen,
still erleuchtet jedes Haus;
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
tausend Kindlein steh'n und schauen,
sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld.
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern,
wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen;
aus des Schnees Einsamkeit
steigt's wie wunderbares Singen. -
O, du gnadenreiche Zeit!

Joseph von Eichendorff



Weihnachtsabend

Dämmerstille Nebelfelder,
Schneedurchglänzte Einsamkeit,
Und ein wunderbarer weicher
Weihnachtsfriede weit und breit.

Nur mitunter, windverloren,
Zieht ein Rauschen durch die Welt,
Und ein leises Glockenklingen
Wandert übers stille Feld.

Und dich grüßen alle Wunder,
Die am lauten Tag geruht,
Und dein Herz singt Kinderlieder
Und dein Sinn wird fromm und gut.

Und dein Blick ist voller Leuchten,
Längst Entschlafnes ist erwacht . . .
Und so gehst du durch die stille
Wunderweiche Winternacht.

Wilhelm Lobsien



Advent


Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt
und manche Tanne ahnt wie balde
sie fromm und lichterheilig wird.
Und lauscht hinaus: den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin - bereit
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.
Rainer Maria Rilke


  Immer ein Lichtlein mehr

  Immer ein Lichtlein mehr
  im Kranz, den wir gewunden,
  dass er leuchte uns so sehr
  durch die dunklen Stunden.

  Zwei und drei und dann vier!
  Rund um den Kranz welch ein Schimmer,
  und so leuchten auch wir,
  und so leuchtet das Zimmer.

  Und so leuchtet die Welt
  langsam der Weihnacht entgegen.
  Und der in Händen sie hält,
  weiß um den Segen!

  Matthias Claudius

Schlaf wohl, du Himmelsknabe du, 
schlaf wohl, du süßes Kind, 
dich fächeln Engelein in Ruh
mit sanftem Himmelswind.
Wir armen Hirten singen dir
ein herzig’s Wiegenliedlein für:
Schlafe, schlafe, Himmelssöhnchen, schlafe!

Maria hat mit Mutterlieb
dich leise zugedeckt,
und Josef hält den Hauch zurück,
dass er dich nicht erweckt.
Die Schäflein, die im Stalle sind,
verstummen vor dir, Himmelskind.
Schlafe, schlafe, Himmelssöhnchen, schlafe!
Melodie: Heinrich Reimann (1850 –1906) nach einer Melodie aus dem Glatzer Land (Schlesien)
Text: Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 –1791); im Original dreistrophig

Vom Himmel hoch, da komm' ich her,
ich bring' euch gute neue Mär,
der guten Mär bring' ich soviel,
davon ich sing'n und sagen will.

Euch ist ein Kindlein heut geborn
von einer Jungfrau auserkorn,
ein Kindelein so zart und fein,
das soll eur Freud und Wonne sein.

Es ist der Herr Christ, unser Gott,
der will euch führn aus aller Not,
er will eur Heiland selber sein,
von allen Sünden machen rein.
.
Er bringt euch alle Seligkeit,
die Gott der Vater hat bereit',
daß ihr mit uns im Himmelreich
sollt leben nun und ewiglich.

So merket nun das Zeichen recht:
die Krippe, Windelein so schlecht,
da findet ihr das Kind gelegt,
das alle Welt erhält und trägt.

Des laßt uns alle fröhlich sein
und mit den Hirten gehn hinein,
zu sehn, was Gott uns hat beschert,
mit seinem lieben Sohn verehrt.

Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin,
was liegt doch in dem Krippelein?
Wes ist das schöne Kindelein?
Es ist das liebe Jesulein.

Sei mir willkommen, edler Gast!
Den Sünder nicht verschmähet hast
und kommst ins Elend her zu mir:
Wie soll ich immer danken dir?

Ach Herr, du Schöpfer aller Ding,
wie bist du worden so gering,
daß du da liegst auf dürrem Gras,
davon ein Rind und Esel aß!

Und war die Welt vielmal so weit,
von Edelstein und Gold bereit',
so war sie doch dir viel zu klein,
zu sein ein enges Wiegelein.

Der Sammet und die Seiden dein,
das ist grob Heu und Windelein,
darauf du König groß und reich
herprangst, als wärs dein Himmelreich.

Das hat also gefallen dir,
die Wahrheit anzuzeigen mir,
wie aller Welt Macht, Ehr und Gut
vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut.

Ach mein herzliebes Jesulein,
mach dir ein rein sanft Bettelein,
zu ruhen in meins Herzens Schrein,
daß ich nimmer vergesse dein.

Davon ich allzeit fröhlich sei,
zu springen, singen immer frei
das rechte Susaninne schön,
mit Herzenslust den süßen Ton.

Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
der uns schenkt seinen eingen Sohn.
Des freuen sich der Engel Schar'
und singen uns solch neues Jahr.
(Martin Luther)


Weihnachtswunder

Durch den Flockenfall
klingt süßer Glockenschall,
ist in der Winternacht
ein süßer Mund erwacht.

Herz, was zitterst du
den süßen Glocken zu?
Was rührt den tiefen Grund
dir auf der süße Mund?

Was verloren war,
du meintest, immerdar,
das kehrt nun all zurück,
ein selig Kinderglück.

O du Nacht des Herrn
mit deinem Liebesstern,
aus deinem reinen Schoß
ringt sich ein Wunder los.

Gustav Falke

Weihnachten 1944
(Als ich keinen Urlaub bekam)
Wenn es in der Welt dezembert
und der Mond wie ein Kamembert
gelblich rund, mit etwas Schimmel
angetan, am Winterhimmel
heimwärts zu den Seinen irrt
und der Tag stets kürzer wird -
sozusagen wird zum Kurztag -
hat das Christkind Geburtstag!
Ach, wie ist man dann vergnügt,
wenn man einen Urlaub kriegt.
Andrerseits, wie ist man traurig,
wenn es heisst: "Nein, da bedaur ich!"
Also greift man dann entweder
zu dem Blei oder der Feder
und schreibt schleunigst auf Papier
ein Gedicht, wie dieses hier:
Die Berge, die Meere, den Geist und das Leben
hat Gott zum Geschenk uns gemacht;
doch uns auch den Frieden, den Frieden zu geben,
das hat er nicht fertiggebracht!
Wir tasten und irren, vergehen und werden,
wir kämpfen mal so und mal so. . .
Vielleicht gibt's doch richtigen Frieden auf Erden?
Vielleicht grade jetzt? - -
Aber wo? . ."
Heinz Erhard

Weihnachtsfest

  Der Winter ist gekommen
  Und hat hinweg genommen
  Der Erde grünes Kleid;
  Schnee liegt auf Blütenkeimen,
  Kein Blatt ist an den Bäumen,
  Erstarrt die Flüsse weit und breit.

  Da schallen plötzlich Klänge
  Und frohe Festgesänge
  Hell durch die Winternacht.
  In Hütten und Palästen
  Ist rings in grünen Ästen
  Ein bunter Frühling aufgewacht.

  Wie gern doch seh ich glänzen
  mit all den reichen Kränzen
  den grünen Weihnachtsbaum;
  dazu der Kindlein Mienen,
  von Licht und Lust beschienen;
  wohl schönre Freude gibt es kaum!

  - Robert Reinick -

Das Christkind

Nicht glänzend ging es damals zu,
ein Kälbchen machte friedlich muh,

ein Eselchen stand an der Krippe,
beschnüffelte mit seiner Lippe
ein kleines Bündelchen von Stroh,
es gan noch keinen Bernhard Shaw,
ein Satz, womit ich ilustriere
die Einfalt mancher lieben Tiere,
die man am Abhang weiden sah.
Als sei die Nacht dem Tage nah,
war`s hell üb`rall in der Umgebung,
und in Bezug auf die Bewegung,
die ich dem Lied hier geben will,
verhielt sich die Madonna still,
als sei sie selig; ihr Gemahl
stand im durchaus nicht prächt`gem Saal,
als habe sich hier nimmermehr
etwas ereignet, das er sehr
schwer hätte nehmen müssen.
Die Hirten würden es nun grüßen,
das kindlich auf dem Schoß ihr lag,
und ich nun nichts mehr sagen mag,
weil es mir scheint, was ich berichte,
beziehe sich auf Weltgeschichte.
In engem Stalle fing die Bahn
von etwas Einflussreichem an.

Robert Walser


Weihnachten in Ajaccio

Reife Goldorangen fallen sah'n wir heute, Myrte blühte,
Eidechs glitt entlang der Mauer, die von Sonne glühte.
Uns zu Häupten neben einem morschen Laube flog ein Falter -
keine herbe Grenze scheidet Jugend hier und Alter.
Eh' das welke Blatt verweht ist, wird die Knospe neu geboren -
eine liebliche Verwirrung, schwebt der Zug der Horen.
Sprich, was träumen deine Blicke? Fehlt ein Winter dir, ein bleicher?
Teures Weib, du bist um einen lichten Frühling reicher!
Liebst du doch die langen Sonnen und die Kraft und Glut der Farben!
Und du sehnst dich nach der Heimat, wo sie längst erstarben?
Horch! Durch paradieseswarme Lüfte tönen Weihnachtsglocken!
Sprich, was träumen deine Blicke? Von den weißen Flocken?
Conrad Ferdinand Meyer

Weihnacht

Die Welt wird kalt, die Welt wird stumm,
der Wintertod geht schweigend um;
er zieht das Leilach weiß und dicht
der Erde übers Angesicht -
Schlafe - schlafe.
Du breitgewölbte Erdenbrust,
du Stätte aller Lenenslust,
hast Duft genug im Lenz gesprüht,
im Sommer heiß genug geglüht,
nun komme ich, nun bist du mein,
gefesselt nun im engen Schrein -
Schlafe - schlafe.
Die Winternacht hängt schwarz und schwer,
ihr Mantel fegt die Erde leer,
die Erde wird ein schweigend Grab,
ein Ton geht zitternd auf und ab!
Sterben - sterben.
Da horch - im totenstillen Wald
was für ein süßer Ton erschallt?
Da sieh - in tiefer, dunkler Nacht
was für ein süßes Licht erwacht?
Als wie von Kinderlippen klingt's,
von Ast zu Ast wie Flammen springt's,
vom Himmel kommt's wie Engelsang,
ein Flöten- und Schalmeienklang:
Weihnacht! Weihnacht!
Und siehe - welch ein Wundertraum:
Es wird lebendig Baum an Baum,
der Wald steht auf, der ganze Hain
zieht wandelnd in die Stadt hinein;
mit grünen Zweigen pocht es an:
"Tut auf, die sel'ge Zeit begann,
Weihnacht! Weihnacht!"
Da gehen Tür und Tore auf,
da kommt der Kinder Jubelhauf,
aus Türen und aus Fenstern bricht
der Kerzen warmes Lebenslicht.
Bezwungen ist die tote Nacht,
zum Leben ist die Lieb erwacht,
der alte Gott blickt lächelnd drein,
des laßt uns froh und fröhlich sein!
Weihnacht! Weihnacht!
Ernst von Wildenbruch

  Verse zum Advent

  Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
  Aber als Knecht Ruprecht schon
  Kommt der Winter hergeschritten,
  Und alsbald aus Schnees Mitten
  Klingt des Schlittenglöckleins Ton.
  Und was jüngst noch, fern und nah,
  Bunt auf uns herniedersah,
  Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
  Und das Jahr geht auf die Neige,
  Und das schönste Fest ist da.
  - Theodor Fontane -

Christbaum


Wie schön geschmückt der festliche Raum!
Die Lichter funkeln am Weihnachtsbaum!
O fröhliche Zeit! O seliger Traum!

Die Mutter sitzt in der Kinder Kreis;
nun schweiget alles auf ihr Geheiß:
sie singet des Christkinds Lob und Preis.

Und rings, vom Weihnachtsbaum erhellt,
ist schön in Bildern aufgestellt
des heiligen Buches Palmenwelt.

Die Kinder schauen der Bilder Pracht,
und haben wohl des Singen acht,
das tönt so süß in der Weihenacht!

O glücklicher Kreis im festlichen Raum!
O goldne Lichter am Weihnachtsbaum!
O fröhliche Zeit! O seliger Traum!

 (Peter Cornelius)

Weihnachtsbaum


Der Weihnachtsbaum

Schön ist im Frühling die blühende Linde,
bienendurchsummt und rauschend im Winde,
hold von lieblichen Düften umweht;
schön ist im Sommer die ragende Eiche,
die riesenhafte, titanengleiche,
die da in Wetter und Stürmen besteht;
schön ist im Herbst des Apfelbaums Krone,
die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohne
beugt von goldener Früchte Pracht;
aber noch schöner weiß ich ein Bäumchen
strahlt in der eisigen Winternacht.

Keiner kann mir ein schöneres zeigen:
Lichter blinken in seinen Zweigen,
goldene Äpfel in seinem Geäst,
und mit schimmernden Sternen und Kränzen
sieht man ihn leuchten, sieht man ihn glänzen
anmutsvoll zum lieblichen Fest.
Von seinen Zweigen ein träumerisch Düften
weihrauchwolkig weht in den Lüften,
füllet mit süßer Ahnung den Raum!
Dieser will uns am besten gefallen,
ihn verehren wir jauchzend von allen,
ihn, den herrlichen Weihnachtsbaum!
Heinrich Seidel


Zu Weihnachten

Das ist der liebe Weihnachtsbaum.
Ja solch ein Baum!
Der grünt bei Schnee, der glänzt bei Nacht
wie die himmlische Pracht,
trägt alle Jahre seine Last,
Äpfel und Nüsse am selben Ast,
Zuckerwerk obendrein -
so müßten alle Bäume sein!
Nun hat ihn gebracht der Weihnachtsmann,
drei Kinder steh'n und seh'n ihn an.

Das erste spricht:
"Der ist doch Weihnacht das Schönste, nicht?"
Das andre: "Woher an Äpfeln und Nüssen
Gold und Silber wohl kommen müssen?
Ich denk mir, das Christkind faßte sie an,
gleich war Gold oder Silber dran."
Das dritte: "Christkind müßte einmal
den ganzen Wald so putzen im Tal;
dann würde gleich aller Schnee zergeh'n,
und dann - das gäb ein Spazierengeh'n!"
Victor Blüthgen


Der Traum

Ich lag und schlief; da träumte mir
ein wunderschöner Traum:
Es stand auf unserm Tisch vor mir
ein hoher Weihnachtsbaum.

Und bunte Lichter ohne Zahl,
die brannten ringsumher;
die Zweige waren allzumal
von goldnen Äpfeln schwer,

Und Zuckerpuppen hingen dran;
das war mal eine Pracht!
Da gab's, was ich nur wünschen kann
und was mir Freude macht.

Und als ich nach dem Baume sah
und ganz verwundert stand,
nach einem Apfel griff ich da,
und alles, alles schwand.

Da wacht ich auf aus meinem Traum,
und dunkel war's um mich.
Du lieber, schöner Weihnachtsbaum,
sag an, wo find ich dich?

Da war es just, als rief er mich:
"Du darfst nur artig sein;
dann steh ich wiederum vor dir;
jetzt aber schlaf nur ein!

Und wenn du folgst und artig bist,
dann ist erfüllt dein Traum,
dann bringet dir der heil'ge Christ
den schönsten Weihnachtsbaum."
Hoffmann von Fallersleben


Der erste Weihnachtsbaum im eigenen Heim

Du warst mir heilig immer
Seit früh'stem Kindheitstraum,
Im goldnen Strahlenschimmer,
Du lichter Tannenbaum!

Wie ich in Nacht mich härmend,
Auch rang in tiefster Qual,
Du sandtest, still erwärmend,
In meine Brust den Strahl!

Doch heut zum schönsten Feste,
Heut strahle wie noch nie!
Streck' segnend deine Äste
Hin über mich uns sie!

Flamm' auf im Glanz der Kerzen! -
Oh wie du schön erscheinst,
Nun du zwei junge Herzen
Zum ersten Mal vereinst!
Ernst Scherenberg


Heiliger Abend

Der Pfarrturm, der alte, treu hält er die Wacht.
Nun singt er den Gruß der heiligen Nacht;
aber das Läuten, du hörst es kaum,
zu viel Lärmen ist sonst im Raum.
Auf dem Marktplatze jetzt um den Brunnen herum,
was ist doch da für ein Gesumm,
und tönt in alle Gassen aus
und in den Gassen in jedes Haus;
denn ach, des Weihnachtsbaumes Geflimmer,
die höchste Lust, blüht ja im Zimmer!

Noch stellt dem Heiligsten sich vor
die Zimmertür als Himmelstor;
wie stürmen sie im dichten Wall
dagegen an, die Sel'gen all!

Fasst ihr's, ihr Kinder groß und klein?
Minuten noch, dann geht's hinein!
Und drin wird's heller, heller, heller -
horch, klapperte das nicht wie Teller?
Und roter werden noch die Backen -
ich glaub, das klang wie Nüsseknacken!
Da huschte ein Schatten vors Schlüsselloch:
"Ach, lieber Papa, nun öffne doch!"
"So ungeduldig?" "Ach, Väterchen, nein,
ich mein' ja nur so! . . . " "Nun, Völkchen, herein!"

Da quillt aus offnem Gnadentor
ein Strom von goldenem Licht hervor.
Im Jubel bebt der Fuß zurück,
weit auf das Auge, dann schließt sich's vor Glück,
lässt blinzelnd nun und Schein auf Schein
nur fünkchenweise Licht herein;
dann öffnet sich's, wie's nur kann, so weit -
hinein denn in die Seligkeit! . . .

Dort stehen die Alten Arm in Arm
und lächeln auf den Bienenscharm,
wie um den Tisch in wilder Flucht
ein jedes nach seinem Honig sucht.
Das ist ein Gucken, Fragen, Lachen.
Erstaunen und Gesichtermachen,
denn, was ein jeder Platz enthält,
aufblüht's zu einer Wunderwelt
und wandelt Pfefferkuchenduft
zu Fee und Kobold in der Luft.
Die Braune dort, gibt sie nicht schon
der Puppe mütterlich Lektion?
Die andre mit der kleinen da,
fühlt sie sich nicht als Großmama?
Doch du, du Bürschlein, blond und wild,
bist meiner Kindheit Ebenbild;
ich weiß, von Reisen unerhört
kommst eben du auf dem Schaukelpferd,
und wie du das Gewehr genommen,
mögen nur die Franzosen kommen!
Wie du, führt ich die Zinnsoldaten
zu ungeahnten Heldentaten,
hab mit dem Holzschwert, wie du heut,
einst manches Land vom Tyrannen befreit
wie du, mit der Knallpistole jetzt
den Drachen Todesschüsse versetzt.
Bursch, wie's mich selig übertaut!
Ich glaub, ich steck in deiner Haut,
weiß wieder, als hätt' ich mich nie geirrt
wie hold die Zukunft blühen wird,
weiß, wie ich einst aus dem Verstecke
die Tugend ruf, die Sünder schrecke,
und Taten dabei vollführe, Taten,
wie keinem Helden sie je geraten,
daneben aber als großer Mann
Besuche mit Kuchen traktieren kann,
bis, wie die Bleient' um den Magnet,
um meinen Willen die Welt sich dreht,
bis niemand, als Papa allein,
mir reden darf ein Wörtchen drein,
bis ich, der glücklichste Mann der Erde,
Konditor oder König werde! . . .

Doch schweigend sehn in guter Ruh
die Alten all dem Treiben zu,
denn keusch aus der Vergangenheit
grüßt sie die eigne Kinderzeit.
Die Hände, die einst sie bedacht,
die Augen, die einst sie bewacht,
sie tauchen bei der Kleinen Lust
wehmütig auf in ihrer Brust,
und was noch Ausweg sucht im Wort,
nach innen bald spinnt's weiter fort.
Doch auch der Kleinen Freudenbraus
klingt nun in leises Summen aus,
wie Lerchentriller leiser wird,
je näher er dem Himmel schwirrt.
Und feierlich durchweht den Raum
Dein duft, du lieber Tannenbaum,
der du, wenn's draußen kahl und wüst,
wie Hoffnung in der Trauer glühst.
Aus jeder Lichterblume blüht
Ein Fünkchen Frieden ins Gemüt.
Du machst das Leben ja zum Traum,
den Traum zum Leben, Weihnachtsbaum,
gibst Glück dem, der's verlor, zurück,
Glück des Beglückens, reinstes Glück.
Ferdinand Avenarius


Der letzte Weihnachtsbaum

Jetzt lösch' ich den jährlichen Weihnachtsbaum
Auf immer und ewig aus!
Der Herzen erfreuende Kindertraum
Brennt nie mehr in unserem Haus.

Schon holt' ich der Mutter ein Fichtenreis
Und schmückt' es dem Wiegenkind!
Sie wiegte davor ihr Söhnchen leis,
Sah fast an den Kerzen sich blind.

Im Himmel wer sagt, auf Erden wer weiß:
Was wir da gemeint und gedacht!
Wir schlossen uns stumm in die Arme so heiß
Und weinten vor heiliger Macht.

Denn "Vater und Mutter" das waren nun wir!
Und das Kind vom Himmel war da!
Hell über uns war zu unserer Zier
Uns der Stern, der leuchtende, nah!

Dann traten, mehr Jahre, mehr Kinder heran,
Und freuten die Nacht sich nicht aus -
Das war das ewige Leben! Kein Wahn,
In Segen stand da das Haus!

Jetzt - ist die Mutter gestorben und hin!
Die Kinder sind alle nun groß.
Nun steh' ich einsam mit brütendem Sinn -
Fort, Baum . . . in der Götter Schoß!

Jetzt lösch' ich den letzten Weihnachtsbaum
Auf immer und ewig aus!
Aus ist der tote, verlebte Traum
Und finster bleibt mir das Haus.
Leopold Schefer


Der Weihnachtsbaum

Schön ist im Frühling die blühende Linde,
bienendurchsummt und rauschend im Winde,
hold von lieblichen Düften umweht;
schön ist im Sommer die ragende Eiche,
die riesenhafte, titanengleiche,
die da in Wetter und Stürmen besteht;
schön ist im Herbst des Apfelbaums Krone,
die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohne
beugt von goldener Früchte Pracht;
aber noch schöner weiß ich ein Bäumchen
strahlt in der eisigen Winternacht.

Keiner kann mir ein schöneres zeigen:
Lichter blinken in seinen Zweigen,
goldene Äpfel in seinem Geäst,
und mit schimmernden Sternen und Kränzen
sieht man ihn leuchten, sieht man ihn glänzen
anmutsvoll zum lieblichen Fest.
Von seinen Zweigen ein träumerisch Düften
weihrauchwolkig weht in den Lüften,
füllet mit süßer Ahnung den Raum!
Dieser will uns am besten gefallen,
ihn verehren wir jauchzend von allen,
ihn, den herrlichen Weihnachtsbaum!
Heinrich Seidel


Weihnachtsgruß

Da steh'n wir wieder vor den Opferflammen
am Hochaltar der Liebe treu zusammen,
am grünen Baum, am Weihnachtsbaum,
mit kinderfrohem Sinn im trauten Raum.

Von Liebe schwer, dass jeder Zweig sich bieget,
bis hoch hinauf, wo sich die Krone wieget,
streckt er die vielen vollen Arme aus!
Er bringt den Jubel uns ins stille Haus.

O, hört ihr säuseln es in seinen Zweigen,
o, hört ihr klingen sie, die Weihnachtslieder?
O, seht die Engelschar in lichten Reigen,
sie steigt zum lieben Kinderherzen nieder.

Dann grünt und blüht sie auf und reift, die Tugend
im Hauch der Lieb', im gold'nen Lichtessaum.
O, sei mir hoch gegrüßt, du Freund der Jugend,
du Himmelsbote, heil'ger Weihnachtsbaum!

Peter Rosegger


Den Lichtgenossen

Hundert Kerzen trägt die Fichte,
prangt in ihrem Silberlichte,
wie ein reicher Märchentraum. -
So als hundert Seelenflammen
stellt das Schicksal uns zusammen,
Lichter uns am Lebensbaum.

Und wir Nachbarn in der Runde
einen uns zum Feuerbunde:
Heller strahlt ein heit'rer Glanz!
Wo der eigne Schimmer endet,
was der andern Glut gespendet,
wohl kein Flämmchen weiß es ganz.

Doch wenn eines tiefer brannte,
schneller seine Kraft versandte,
flackernd in die Nacht verging:
Merkt ein jedes von uns Frohen,
die noch ruhig weiterlohen,
was es Licht von ihm empfing!

Einmal dann im Dämmerraume
am verödet düstern Baume
brennt ein letztes noch allein.
Von sich selber nur zu zehren
in dem Dunkel, in dem leeren -
Mög nicht ich dies letzte sein.

Hanns von Gumppenberg


Der schönste Baum

Sag' an, wie heißt der schönste Baum
Auf diesem Erdenrund,
Seit einst im Paradiesesraum
Der Baum des Lebens stund?

Die Palme grüßt im Morgenland
Des Pilgers Aug' entzückt,
Wenn ragend er im Wüstensand
Ihr hohes Haupt erblickt.

Schön ruht sich's an der Eiche Fuß,
Wenn durch den grünen Wald
Der Jägerschar des Waldhorns Gruß
Zum muntern Mahle schallt.

Die Linde glüht im Abendglanz,
Umweht von Blütenduft,
Wenn durch das Dorf zum Erntetanz
Des Spielmanns Fiedel ruft.

Doch schöner glänzt im Kerzenschein
Der Tannenbaum, fürwahr!
Wenn nur der Vater ruft "Herein!"
Der frohen Kinderschar.

Wenn dann ins lichte Heiligtum,
Geblendet und entzückt,
Vor Freude bang, vor Staunen stumm,
Das Kindervolk sich drückt;

Wenn wonnevoll der Eltern Blick
Sich auf die Kleinen senkt
Und an der eignen Kindheit Glück
Mit süßer Wehmut denkt:

Da blüht in finstrer Winternacht,
Umstarrt von Schnee und Eis,
Ein Frühling auf in bunter Pracht
Am dunklen Tannenreis.

Da bringt der schlichte Tannenbaum
Des Paradieses Glück,
Der ersten Unschuld Kindheitstraum
Der armen Welt zurück.

Und draußen blickt der Sterne Schar
Mir wunderholdem Schein
Wie Engelsaugen mild und klar
Vom Himmel hoch herein.

Und aus der Himmel Himmel sieht's
Herab mit Vaterblick,
Und durch die dunkeln Lüfte zieht's
Wie himmlische Musik.

Also hat Gott die Welt geliebt,
Dass er aus freiem Trieb
Und seinen Sohn zum Heiland gibt;
Wie hat uns Gott so lieb!"
Karl Gerok

Der Stern


Hätt' einer auch fast mehr Verstand
als wie die drei Weisen aus Morgenland
und ließe sich dünken, er wäre wohl nie
dem Sternlein nachgereist, wie sie;
dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest
seine Lichtlein wonniglich scheinen lässt,
fällt auch auf sein verständig Gesicht,
er mag es merken oder nicht,
ein freundlicher Strahl
des Wundersternes von dazumal.

(Wilhelm Busch)

Ein Licht, das leuchten will

Ein Licht, das leuchten will, muss sich verzehren;
Trost, Licht und Wärme spendend, stirbt es still.
Ein Licht, das leuchten will, kann nichts begehren,
als dort zu stehen, wo's der Meister will.

Ein Licht, das leuchten will, dem muss genügen,
dass man das Licht nicht achtet, nur den Schein.
Ein Licht, das leuchten will, muss sich drein fügen,
für andre Kraft und für sich nichts zu sein.

Ein Licht, das leuchten will, darf auch nicht fragen,
ob's vielen leuchtet oder einem nur.
Ein Licht, das leuchten will, muss Strahlen tragen,
wo man es braucht, da lässt es seine Spur.

Ein Licht, das leuchten will in Meisters Händen,
es ist ja nichts, als nur ein Widerschein;
des ew'gen Lichtes Glanz darf es uns spenden,
ein Licht, das leuchten will für Gott allein.

(Hedwig von Redern)


CHRISTKIND

Die Nacht vor dem heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum;
sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.

Und während sie schlafen und träumen,
wird es am Himmel klar,
und durch den Himmel fliegen
drei Engel wunderbar.

Sie tragen ein holdes Kindlein,
das ist der Heil'ge Christ;
es ist so fromm und freundlich,
wie keins auf Erden ist.

Und wie es durch den Himmel
still über die Häuser fliegt,
schaut es in jedes Bettchen,
wo nur ein Kindlein liegt.

Und Freudsches über alle,
die fromm und freundlich sind;
denn solche liebt von Herzen
das liebe Himmelskind.

Wird sie auch reich bedenken
mit Lust aufs allerbest'
und wird sie schön beschenken
zum lieben Weihnachtsfest.

Heut' schlafen schon die Kinder
und seh'n es nur im Traum,
doch morgen tanzen und springen
sie um den Weihnachtsbaum.

Robert Reinkick





Theodor Storm . 1817-1888
Weihnachtslied
Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muss ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.



Joachim Ringelnatz . 1883-1934
Weihnachten
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle, 
Mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit, 
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle 
Schöne Blumen der Vergangenheit. 
Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise, 
Und das alte Lied von Gott und Christ 
Bebt durch Seelen und verkündet leise, 
Dass die kleinste Welt die größte ist.

Ada Christen . 1839-1901
Christbaum
Hörst auch du die leisen Stimmen
aus den bunten Kerzlein dringen?
die vergessenen Gebete
aus den Tannenzweiglein singen?
Hörst auch du das schüchternfrohe,
helle Kinderlachen klingen?
Schaust auch du den stillen Engel
mit den reinen, weißen Schwingen? ...
Schaust auch du dich selber wieder
fern und fremd nur wie im Traume?
Grüßt auch dich mit Märchenaugen
deine Kindheit aus dem Baume? ...

Erich Kästner (1928) 
Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man's bedenkt.
Einmal kommt auch Eure Zeit.
Morgen ist's noch nicht so weit.


Doch ihr dürft nicht traurig werden,
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden,
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt's Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen -
lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt's an Holz!
Stille Nacht und heilge Nacht -
Weint, wenn's geht, nicht! Sondern lacht!


Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit . . .
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Johann Wolfgang von Goethe:


Epiphaniasfest
Die heil’gen drei König' sind gekommen allhier, 
Es sind ihrer drei und sind nicht ihrer vier; 
Und wenn zu dreien der vierte wär’, 
So wär’ ein heil’ger drei König mehr. 
Ich erster bin der weiß’ und auch der schön’, 
Bei Tage solltet ihr mich erst sehn! 
Doch ach, mit allen Spezerein
Werd’ ich sein Tag kein Mädchen mir erfreun. 
Ich aber bin der braun’ und bin der lang’, 
Bekannt bei Weibern wohl und bei Gesang. 
Ich bringe Gold statt Spezerein, 
Da werd’ ich überall willkommen sein. 
Ich endlich bin der schwarz’ und bin der klein’, 
Und mag auch wohl einmal recht lustig sein. 
Ich esse gern, ich trinke gern, 
Ich esse, trinke und bedanke mich gern. 
Die heil’gen drei König’ sind wohlgesinnt, 
Sie suchen die Mutter und das Kind; 
Der Joseph fromm sitzt auch dabei, 
Der Ochs und Esel liegen auf der Streu. 
Wir bringen Myrrhen, wir bringen Gold, 
Dem Weihrauch sind die Damen hold; 
Und haben wir Wein von gutem Gewächs, 
So trinken wir drei so gut als ihrer sechs. 
Da wir nun hier schöne Herrn und Fraun, 
Aber keine Ochsen und Esel schaun; 
So sind wir nicht am rechten Ort
Und ziehen unseres Weges weiter fort.

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